Wie schön wäre es, wenn man sich darauf verlassen könnte, dass herkömmliches Pferdefutter (Müslis, Mineralfutter & Co.) dem Pferd alles bieten, was es braucht?
Die Zutatenlisten sind utopisch lang und die Liste der ernährungsphysiologischen Zusatzstoffe meist noch länger. Sollte man da nicht meinen, dass das Pferd bis ins hohe Alter gesund und leistungsfähig bleibt?
Weit gefehlt!
Statt einer Vorbeugung von Nährstoffmängeln können viele Futtermittel bei Pferden eine chronische Überversorgung, nicht nur an Makronährstoffen (Kohlenhydrate, Protein, Fett) sondern auch an Mikronährstoffen (Vitamine, Mineralstoffe und Spurenelemente) bewirken. Evolutionär bedingt kommt der Organismus aber mit einer zeitweiligen Unterversorgung besser zurecht als mit einer ständigen Überversorgung. Das soll natürlich nicht heißen, dass man Mangelzustände provozieren soll! Vielmehr ist hier eine gezielte Zufuhr von Nährstoffen gefragt, um Mangelzuständen vorzubeugen und Überversorgungen zu vermeiden.
Alle Vitamine (außer Vitamin E) werden vom Pferd bzw. dessen Darmbakterien selbst gebildet. Somit erübrigt sich die Supplementierung von Vitaminen bei Pferden mit einer gesunden Darmflora. Bei Pferden, die an einer Dysbiose und anderen Magen-Darm-Erkrankungen leiden kann der Einsatz von B-Vitaminen und Vitamin E sinnvoll sein.
Den Futtermitteln zugesetzte Mikronährstoffe stehen stark in der Kritik. Vor allem dann, wenn das Pferd bereits ausreichend über das Grundfutter und die eigene Syntheseleistung versorgt ist. Speziell der Bioverfügbarkeit von Zusatzstoffen sollte man Beachtung schenken. Auffällig ist, dass sich scheinbar trotz verbesserter Haltungs- und Fütterungsbedingungen die Anzahl der Koliken, Hufrehe, Ataxien, chronischen Lungenerkrankungen, Equines Metabolisches Syndrom (EMS) und Cushing häufen. Diese Entwicklung geht einher mit der Fütterung von Standard-Mineralfutter und voll vitaminisierter und mineralisierter Müslis.
Die Forschung am Pferd hat sich bisher auf die Auswirkungen von Mangelerscheinungen und Überdosierungen vornehmlich einzelner Futterinhaltsstoffe konzentriert, aber nicht auf den langfristigen Einsatz von Zusatzstoffen vor allem in Kombination und dessen Wirkung auf den Organismus.
Sicher ist es toll zu hören „In diesem Müsli ist alles drin, was dein Pferd an Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen braucht!“, aber derartige Werbeslogans entbinden uns nicht von unserer Sorgfaltspflicht.
Alles, was dem Organismus zu viel verabreicht wird, muss unter erheblicher Mühe vom Körper verstoffwechselt werden. Im Idealfall werden die nicht benötigten Stoffe wieder ausgeschieden. Ist der Stoffwechsel mit dem Angebot aber überfordert bzw. ist es nicht möglich diese Stoffe wieder auszuscheiden, werden sie eingelagert. Selen zum Beispiel in den Nieren, Kupfer und Eisen in der Leber, was zu Organschäden führen kann. Erste Anzeichen können ständig erhöhte Leberwerte (Im Blutbild GGT und ALP) sein, Fellwechselstörungen, Sommerekzem, Mauke, Hufrehe, …
Ein weiteres Problem ist, dass die in Müslis und Standard-Mineralfuttern enthaltenen Mikronährstoffe vollkommen aus dem Zusammenhang gerissen sind und nicht auf das jeweilige Grundfutter und Pferd abgestimmt. Weiterhin fehlen die sekundären Pflanzenstoffe wie wir sie in natürlichen Nährstofflieferanten finden. Sekundäre Pflanzenstoffe helfen dabei die Mikronährstoffe aufzunehmen und nehmen Einfluss auf verschiedene Stoffwechselprozesse. Das Verdauungssystem von Pferden ist auf die Verwertung von Gräsern, Kräutern, Wurzeln, Rinden, Blättern und Samen ausgerichtet. Daran hat auch die Domestikation und Zucht nichts geändert. Deshalb ist artenreiches qualitativ hochwertiges Heu der beste Nährstofflieferant.
Leider kommt das Heu oft von Hochleistungsweiden. Diese enthalten nur etwa 1-4 Pflanzenarten, die schnell wachsen und eigentlich für das Verdauungssystem von Milchkühen gezüchtet wurden. Sie sind arm an den für Pferde notwendigen Vitalstoffen und reich an Zuckerverbindungen und so fressen viele Pferde oft mehr Heu als sie eigentlich bräuchten. Dieses Defizit an natürlichen Nähstofflieferanten sollte entsprechend vom Pferdebesitzer ausgeglichen werden.
Weiterhin muss man sich darüber im Klaren sein, dass die Bestandteile von herkömmlichen Müslis, die natürliche Vitamine, Mineralien und Spurenelemente enthalten wie Weizen, Gerste, Mais… „tot gekocht“ werden. Die Worte „thermisch aufgeschlossen“ bedeuten, dass das Getreide auf bis zu 250°C erhitzt wird, um die Stärke für das Pferd leichter verdaulich zu machen. (Ähnliches praktizieren wir zu Hause mit Kartoffeln. Die Stärke von gekochten Kartoffeln ist leichter verdaulich als die von rohen Kartoffeln.) Allerdings sind viele Mikronährstoffe sehr hitzeempfindlich und zersetzen sich bei derart hohen Temperaturen. Entsprechend wenige natürliche Vitalstoffe bleiben übrig.
Fazit: Dass, was letztendlich im Futtertrog landet sind oft Stärke und zugesetzte Mikronährstoffe, die häufig sinnlos verabreicht werden und mehr Schaden anrichten können, als dass sie nützen.
In der naturkonformen und artgerechten Fütterung sollte man darauf achten nur das zu ergänzen, was wirklich fehlt (Heuanalyse!) und versuchen mehr Vielfalt auf dem Futterplan zu integrieren.
Lesenswert:
Blutanalysen vs. Heuanalysen - den Versorgungsstatus sicher feststellen
Fallbericht Coco - Blutanalysen vs. Heuanalysen
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Quellen:
Wikipedia.org
GfE 2014 "Empfehlungen zur Energie- und Nährstoffversorgung von Pferden"
Meyer & Coenen 2014 "Pferdefütterung"
Dr. Christina Fritz "Pferde fit füttern"
Hans-Peter Karp "Gesunde Pferdefütterung"
Ingolf Bender, Tina Maria Ritter "Praxishandbuch Pferdegesundheit"
Ingolf Beder, Tina Maria Ritter "Futter-Lexikon Pferde"
Meyer, Coenen, Vervuert "Pferdefütterung"